Die Chapelle du Paty bei Caromb

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Bei meinen Wanderungen durch die Provence fällt mir immer wieder auf, wie viele Spuren die Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der Landschaft hinterlassen hat. Ein Beispiel dafür ist die Chapelle du Paty, deren Geschichte auf einer Informationstafel eher angedeutet als erzählt wird, durch die Landschaft drum herum aber lebendig wird.

Chapelle du Paty 2022

Vor dem Hintergrund der Streitigkeiten zwischen der französischen Krone und dem Vatikan um die Oberherrschaft über das Comtat Venaissin beschließt der Gemeinderat von Caromb im Juni 1693, das Gebiet von Paty zum Gemeindeland zu machen. Der Grundherr ist nicht sonderlich begeistert davon und klagt dagegen.

Es beginnt ein jahrelanger Rechtsstreit, der dadurch verkompliziert wird, dass auf dem Gebiet Menschen leben, die das Land seit Generationen ohne Genehmigung bewirtschafteten und deshalb auch nie irgendwelche Abgaben dafür entrichtet haben. Es rückt die Frage in den Vordergrund, ob diese Bauern eine Pacht zahlen müssen oder nicht. 1706 schließlich entscheidet der Gerichtshof der päpstlichen Kurie, dass die Bauern keine Pacht zahlen müssen, sondern nur eine Steuer von 20 % auf die Erträge, die in dieser kargen Gegend nicht sonderlich hoch gewesen sein dürften.

Zum Dank für diesen Erfolg vor Gericht wird auf dem Hügel eine Kapelle errichtet und eine Marienstatue aufgestellt. Während der Revolution wird sie von revolutionären „Volkskommissaren“ verwüstet und verfällt in den Folgejahren. 1820 wird eine neue Kapelle errichtet, die aktuell restauriert wird. Nur die Marienstatue stammt noch von der ursprünglichen Kapelle aus dem 18. Jahrhundert.

Der juristische Erfolg, für den die Kapelle errichtet wurde, schien keine nachhaltige Wirkung gehabt zu haben. Zwischen 1764 und 1766 wurde im Tal unterhalb der Kapelle ein Stausee errichtet, der für die Wasserversorgung der Gemeinde Caromb und die Bewässerung der weiter unten gelegenen landwirtschaftlichen Nutzfläche genutzt wurde. Auf den Hügeln von Paty weideten später Hirten mit ihren Herden. Davon zeugen zahlreiche Hütten und Gehege aus übereinander geschichteten Steinen. Dieses Trockenmauerwerk sieht so primitiv aus, als käme es aus der Steinzeit. Tatsächlich wurde es erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet. Heutzutage wird diese Art von Mauerwerk als ökologisch sinnvolle und schützenswerte Form der Feldbegrenzung angesehen.

In 20. Jahrhundert war es auch mit der Schafzucht zu Ende; es wurde ein Wald angepflanzt. Die Hügel und der See von Paty sind heute ein beliebtes Ausflugsziel. Die Spuren der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Geschichte sind hier besonders deutlich. Aber wenn ich genauer hinsehe, dürfte ich sie auch anderswo entdecken.

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Kategorien Reisen, Frankreich